TÖSSTAL Das Goldschmied- Atelier von Simon Eichmann liegt im Herzen der Winterthurer Altstadt. Im Schaufenster dreht sich gerade alles um das Thema Champagner. Edelsteine in Gelbtönen, Goldketten und – ringe funkeln zwischen Schaumweinflaschen und ‑kisten. «Alle paar Wochen dekorieren wir die Vitrinen unter einem neuen Motto um», erläutert Eichmann mit einem liebevollen Blick auf seine handgemachten Schätze.
Das Sujet ist gut gewählt – denn Ringe sind die Spezialität des gelernten Goldschmieds. Und zu schönen Schmuckstücken passt bekanntlich Champagner. «Das Goldschmied-Atelier, bei dem ich meine Lehre absolviert habe, hat hauptsächlich Eheringe hergestellt», klärt der gebürtige Tösstaler auf.
Eichmann wurde erst auf dem zweiten Bildungsweg Goldschmied. Zuvor arbeitete er als Konstrukteur und Maschinenbauingenieur. Daneben spielte er in Winterthur viel Unihockey. Das hat ihn bis in die Junioren- und Herrennationalmannschaft gebracht. «Der Sport war meine Hauptpassion – der Job Nebensache», ordnet Eichmann ein.
Als er fast 30 Jahre alt war, beendete er seine Unihockey-Karriere. «Einerseits kam in mir nach etlichen Jahren in diesem Sport die Sinnfrage auf. Aber auch der Körper hat sich gemeldet», erinnert er sich. «Danach genügte mir der gelernte Beruf nicht mehr. Es steckte zu wenig Leidenschaft dahinter», sagt Eichmann. Stattdessen besann er sich auf das, was ihm früher Freude gemacht hatte – und er entdeckte seine Faszination für Gold und Edelsteine wieder.
Glücksbringer in der Tasche
Sein Grossvater war Strahler und suchte in den Bergen nach wertvollen Mineralien. Für die Enkel fiel nicht selten ein Exemplar ab. «Edelsteine waren meine Glücksbringer. Bei jedem Match und jeder Prüfung hatte ich einen in der Tasche», so Eichmann. Nachdem er in diversen Ateliers in den Beruf hineingeschnuppert hatte, entschied er sich daher für eine Lehre als Goldschmied bei Mojo Design in Winterthur.
Zur Ausbildung gehörte ein Lehrlingsaustausch, in Zuge dessen Eichmann die Bekanntschaft von Ruedi Derks machte, der damals das Goldschmied-Atelier am Unteren Graben führte. 2019 durfte Eichmann dort für einige Wochen als Praktikant seinen Erfahrungshorizont erweitern. «In dieser Branche hat jedes Atelier seine Eigenheiten. Derks kannte noch Techniken, die ich in meiner Lehre nicht gelernt hatte.»
Vertrauen aufbauen
Derks hegte zu seinen Kunden sehr persönliche Beziehungen, was Eichmann ihm gleichtun will. «Etwas vom Wichtigsten in diesem Beruf ist das Vertrauen, das der Kunde zum Goldschmied aufbauen muss. Dabei hilft es, wenn man sich als Schmied in seinem Atelier zu Hause fühlt. In Zürich wäre ich mir fremd vor- gekommen.» Die Lage in der Winterthurer Altstadt und die entspannte Atmosphäre im Betrieb veranlassten den damaligen Lehrling dazu, am Unteren Graben den mutigen Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.
«Ich wusste, dass Derks in Pension gehen will und eine Nachfolge sucht. Daher meldete ich mein Interesse an», sagt Eichmann. Im vergangenen Jahr arbeitete das eingespielte Team Hand in Hand – genug Zeit für Eichmann, sich einzuleben und für Derks, sich zu lösen. Seit Anfang Juli darf der 39-Jährige das Atelier am Unteren Graben nun sein Eigen nennen. Derks steht ihm noch immer als tatkräftige Unterstützung zur Seite. «Am Betrieb wird sich nur wenig verändern – der Laden wird im Geist von Derks Schaffen weitergeführt», umschreibt Eichmann. Er hat beispielsweise damit begonnen, die Arbeitsab- läufe zu digitalisieren. Die Schmuckstücke dürften zudem feingliedriger werden.
«Nur eine Chance»
Der 39-Jährige ist in Zell aufgewachsen, ging in Rikon und später in Turbenthal zur Schule und spielte bis ins Teenageralter beim Unihockeyverein Wila. Als junger Erwachsener verliess er das Tösstal – sein Weg führte Eich- mann aber immer wieder zurück in den Heimatort. Als passionierter Fischer hegt der Goldschmied eine besondere Beziehung zur Töss. «Ich habe viele schöne Erinnerungen an den Fluss, ans Bräteln, das Baden und natürlich die Fische», sagt Eichmann.
«Wenn ich für das Tösstal ein Schmuckstück schmieden müsste, wäre das ein Ring aus Feingold in einer Wellenflussform. In der Töss kann man nämlich Gold waschen.» Einen solchen Ring besitzt der Schmied bereits. Eichmann holt ihn aus einer Truhe. Der Ring ist mit punktu- ellen Brillanten versetzt. «Die könnten die Gemeinden symbolisieren», sagt der 39-Jährige mit einem Augenzwinkern.
Ein Schmuckstück wie dieses schmiedet Eichmann in rund einem Monat. Er profitiert dabei von seiner jahrelangen Tätigkeit als Konstrukteur. «Ich bin ein Experte für 3D-Visualisierun- gen am Computer», erklärt er. Damit sich ein Kunde ein Schmuckstück besser vorstellen kann, modelliert er es virtuell. «Ich liebe es, dass ich als Goldschmied etwas, das nur in der Vorstellung existiert, durch meine Hände umsetzen kann. Es steckt viel Lebenszeit in meinen Schmuckstücken.»
Zu Beginn hatte er grossen Re- spekt vor der Arbeit mit den wertvollen Materialien. «Oft hat man nur eine Chance. Wenn ein Schritt nicht gelingt, muss man von vorn anfangen.» In seiner Lehrzeit ist Eichmann bereits ein solcher Fauxpas unterlaufen. «Ich habe einen Edelstein auf ein Werkzeug fallen lassen. Er ist zersplittert», erinnert er sich.
Als Ladenbesitzer kommen auf den 39-Jährigen nun neue Aufgaben zu, die ihn vermehrt von der Werkbank fernhalten werden. Das stört Eichmann allerdings nicht – im Gegenteil: «Ich finde es spannend, auch das rundherum zu machen, wie die Buchhaltung, die Homepage, den Einkauf und die Rechnungen.» Das mache den Beruf vielschichtig.
Die Corona-Pandemie hat auf die Schmuck-Geschäfte bisher keinen negativen Einfluss. «Viele Leute haben ihre Schatullen aufgeräumt und dabei alte Schmuckstücke gefunden. Diese wollten sie in etwas Zeitgemässes verwandeln», erzählt Eichmann. Ein häufiger Auftrag im Goldschmiedealltag – und laut Eichmann etwas vom Schönsten. «Altschmuck hat einen emotionalen Wert für den Kunden. Daraus etwas Neues machen zu können, was täglich getragen wird, ist sehr beglückend.»
Der Goldschmied ist optimistisch, was die Zukunft seines Ateliers betrifft. «Ich bin davon überzeugt, dass dieses Hand- werk immer Wertschätzung er- fahren wird. Papierwährungen kamen und gingen, während Gold für Jahrtausende seinen Wert beibehalten hat.»
Bilder von Dimitri Muff: